Geschichte der Selbstvertedigung
Der Weg des Kriegers, das BUSHIDÖ, hat in Japan eine lange Tradition. Viele Quellen speisen den Strom des BUSHIDÖ. Untrennbar ist dieser Weg des Kriegers mit dem Ursprungsland Japan verbunden. Einen besseren Nährboden zu seiner Entfaltung hätte das BUSHIDÖ nicht finden können, denn vielfältig präsentiert sich dem Betrachter die Gedankenwelt, in die das BUSHIDÖ seinen Einzug gehalten hat. Verschiedenartige Lehren und Religionen haben den kriegerischen Weg geprägt, mitgestaltet und verwandelt. Am Beginn dieser Entwicklung steht der Buddhismus, der von Indien aus seinen Siegeszug über die östliche Welt antrat. So verschmolz er in Japan zu einzigartigen Ausformungen, die in der Form des Zen-Buddhismus die für das BUSHIDÖ wichtige Gestalt angenommen haben. In ihm geht es mit dem Hilfsmittel der Meditation um eine absolute Befreiung des menschlichen Bewußtseins von allen ihm immanenten Inhalten, bis hin zu dem endgültigen Ziel der Befreiung (SATORI). Seine Methode ist in der Hauptsache die meditative Betrachtung oder das Einstudieren meditativer Bewegungen, die den Einzelnen mit dem Absoluten in Harmonie bringen wollen. Auch viele andere - inzwischen oft zu Sportarten „degenerierte" Zen-künste - wie das JUDO (= der sanfte Weg der Selbstverteidigung), das KENDO (- der Weg des Fechtens), das KYUDO (= der Weg des Bogenschießens) sowie die Teezeremonie entstammen der Jahrhunderte alten Tradition des ZEN. Die stets gleich ausgeführten Übungen streben in ihrem religiösen Gehalt die vollkommene Gelassenheit und den inneren (Seelen)-Frieden eines Menschen an. Dieser Buddhismus, der erstmalig im 1. Jahrhundert n. Chr. unter dem Namen Ch'an (= Meditation) in China auftrat, dort aber auf heftigen .konfuzianischen Widerstand stieß, jedoch im 5, Jahrhundert durch den 28. Patriarchen mit dem Namen Bodhidharma endgültig in China als Ch'an-Schule Fuß faßte, dieser Ableger des Bodhidharma- Buddhismus verbreitete sich 700 Jahre später auch in Japan durch seine strenge Methode der körperlichen und geistigen Schulung. Es ist vor allem ein Verdienst des Kriegsadels der Samurai, der den Zen-Buddhismus als Weg der Selbstdisziplin und der Selbstzucht für die eigenen Kampfkünste schätzen lernte, daß gerade der Zen-Buddhis-mus in Japan so schnell heimisch werden konnte. Die Voraussetzungen, die der Buddhismus für seine Ausbreitung in Japan vorfand, waren sehr günstig. Nahm doch der Shintoismus, ein religiöses Geflecht aus verschiedenen Überlieferungen des alten Japan, den Buddhismus in sich auf und formte in einer eigenartigen Synthese diesen und sich selbst zu klar definierten und strukturierten religiösen Systemen aus. Die shintoistische Religion billigt der Natur eine große Verehrung zu: Alle Wesen und Lebewesen der Welt tragen eine übernatürliche Kraft in sich. Steine, Berge, Bäume und Tiere werden als Gottheiten verehrt. Vom Standpunkt einer Offenbarungsreligion aus wird diese Sichtweise als eine Art Animismus bezeichnet: als eine Ehrfurcht vor der Welt und demjenigen, der diese Welt belebt. Der Shinto-ismus gewann in jener Zeit sehr stark an Einfluß und verdrängte mehr und mehr den Buddhismus, als es darum ging, die Abstammung des japanischen Kaiserhauses an Ninigi, dem Enkel der Sonnengöttin Amaterasu, festzumachen. Mit dieser Erbfolge beanspruchte das japanische Kaiserhaus gottähnliche Verehrung. Kaiser Meiji führte im Jahre 1868 die Monarchie - mit dem Shintoismus als Staatsreligion - wieder zu voller Blüte. Das Jahr 1945, die Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg, setzte der Vorrangstellung des Shintoismus ein Ende. Die Amerikaner zwangen den japanischen Kaiser, seinen gottähnlichen Status aufzugeben. Die Verehrung und die Achtung des Kaisers scheint aber auch heute noch ungebrochen und damit verbunden die Verehrung der S hin tos ehr eine, der religiösen Wahrzeichen Japans. Was der Buddhismus dem Bu-SHIDÖ an Werten nicht liefern konnte, das übernahm es aus der Lehre des Shintoismus. So fand sich in der wiederentdeckten Urreligion Japans eine tiefe Verehrung und eine unauflösliche Treue zum Gott-Kaiser, eine Verehrung der Ahnen und eine starke Vaterlandsliebe. Der Gehalt des BUSHIDÖ wäre nicht voll ausgeschöpft, wären nicht die beiden chinesischen Gelehrten Konfuzius (551-479 v.Chr.) und Mencius (371-289?) genannt. Diese hatten einen ungeheuren Einfluß auf die ethischen Grundsätze des BUSHIDÖ. Konfuzius lehrte, ein rechtes Verhalten der Menschen untereinander sei nur in dem Gedanken der vollkommenen Menschlichkeit (JEN) gewährleistet, dann nämlich, wenn die Beziehungen, in denen alle Menschen zueinander stehen, rechtens seien. So nennt Konfuzius fünf Arten von AbhängigkeitsVerhältnissen, die die Gesellschaft tragen sollen: - Vater und Sohn, - Ehemann und Ehefrau, -älterer und jüngerer Bruder, - Freund und Freund, - Herr und Bediensteter. Für die fünf Einteilungen stellt Konfuzius akribisch Regeln und Pflichten (LI) auf, bei deren Einhaltung eine gerechte, d. h. eine harmonisch funktionierende Gesellschaft gewährleistet sein soll. Grundlage der konfuzianischen Weltanschauung bildet der zur damaligen Zeit verbreitete Universismus. Eine ähnliche Auffassung, wie sie sich auf der anderen Seite der Weltkugel bei den alten Griechen (vgl. Sokra-tes und Platon) widerspiegelt. Den Universismus prägt ein positives Menschen- und Weltbild. Der Kosmos - auch der Mensch - ist in seinem Wesen gut. Auf dieser Grundlage kann nur logisch gefolgert werden, daß bei rechter Erkenntnis und rechter Bildung ein harmonischer Zustand auf Erden herbeigeführt werden kann. Die Glückseligkeit des Menschen liegt naturnotwendig im Aufbau einer idealen Gesellschaft. Für Konfuzius hieß dieses menschliche Streben die strikte Einhaltung der dem Menschen vorgegebenen Regeln und Pflichten. In der ganzheitlichen Ausbildung der Samurai - neben militärischer Erziehung v. a. die Erziehung in der Kunst der Literatur und Philosophie, Religion und Ethik, Schönschrift und Geschichte -, in ihrer Ergebenheit und Treue zum Kaiser und ihrer konservativ-aristokratischen und herrschenden Stellung am kaiserlichen Hof läßt sich sicherlich festmachen, daß die Anweisungen des Konfuzius und des Mencius für den Samurai im Umgang mit seinen Mitmenschen ein tragendes, politischethisches Gerüst bildeten. Welche Werte nun genau aus welcher Religion stammen, diese Suche bleibt bei dem über viele Jahrhunderte alten BUSHIDÖ ohne großen Erfolg. Daß aber diese Werte - wie Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit, Wahrheit, Mitleid, Treue, Ehre, Besonnenheit, Höflichkeit, Wagemut, Standhaftigkeit und viele andere — auch heute noch in den japanischen Künsten fortleben, dafür sei das AIKIDO, der harmonische Weg, ein glaubwürdiger Zeuge.
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